Organische Säuren – Teil I Die Fruchtsäuren




Die Bezeichnung „Organische Säuren“ steht aus chemischer Sicht für eine große Gruppe von sauren Verbindungen, deren wichtigste Vertreter die Carbonsäuren sind. Diese besitzen die allgemeine Formel R-COOH, wobei R- (= Rest) für eine organische Gruppe (z. B. Methyl-, Ethyl- etc.) und -COOH für eine Carboxylgruppe mit azidem Wasserstoff (d. h. Tendenz zur Protonenabgabe in wässriger Lösung) steht (vergleiche hierzu auch LCI-Focus: Was ist eigentlich der pH-Wert – Allgemeines zu Säuren und Basen, süsswaren Heft 01+02/05). Einen Teilbereich der organischen Säuren stellen die sog. Fruchtsäuren dar, die, wie der Name schon vermuten lässt, insbesondere in Früchten vorkommen. Diese Fruchtsäuren sind meist Hydroxycarbonsäuren, d. h. sie tragen zusätzlich eine Hydroxy-Gruppe, wie Citronensäure, Milchsäure, Apfelsäure, Weinsäure, Gluconsäure, oder Dicarbonsäuren wie Fumarsäure oder Bernsteinsäure.

Wo kommen organische Säuren in der Natur vor?

Organische Säuren kommen in vergleichsweise hohen Konzentrationen (durchschnittlich 1–3%) in allen Obstsorten und in vielen Gemüsearten vor. Ihre Bildung erfolgt einerseits als Metabolite des Intermediärstoffwechsels der Pflanzen. So kommen L-Äpfelsäure und Citronensäure in allen pflanzlichen und tierischen Zellen vor, in denen der sog. Citronensäurezyklus abläuft. Bei diesem zentralen Stoffwechselzyklus werden Fette, Proteine und Kohlenhydrate durch Decarboxylierungs- und Dehydrierungsreaktionen abgebaut. Von einem Erwachsenen werden im Rahmen des Citronensäurezyklus täglich etwa 2 kg Citronensäure und 1 kg Äpfelsäure (!) als Zwischenprodukte gebildet und wieder abgebaut. Beide Säuren sind Inhaltsstoffe vieler Früchte, wobei Äpfelsäure u. a. insbesondere in Äpfeln, Quitten, Stachelbeeren und Trauben vorkommt; Citronensäure ist die Hauptsäure in Beerenobst und in Zitrusfrüchten.

Einen weiteren Bildungsweg organischer Säuren stellt die Be- und Verarbeitung von Lebensmitteln dar. Hier ist vor allem die Milchsäure-Gärung zu nennen, bei der sich u. a. in Sauermilcherzeugnissen und Sauerkraut z. T. beachtliche Mengen an Milchsäure bilden können (bis 1,5% in Sauerkraut). Organische Säuren können jedoch auch das Produkt einer Verderbnis von Lebensmitteln sein. Ein Beispiel hierfür ist die Essigsäuregärung, die ursächlich für den Essigstich in Wein und für das Sauerwerden von Milch ist.

Ascorbinsäure (chem. Synonym für Vitamin C) ist im Pflanzen- und Tierreich ebenfalls sehr weit verbreitet. Der Mensch, Affe, Meerschweinchen und einige andere Tierarten benötigen L(+)-Ascorbinsäure als Vitamin, weil ihnen verschiedene Enzyme zur körpereigenen Synthese fehlen. Besonders reich an Vitamin C sind Zitrusfrüchte, Paprikaschoten, Johannisbeeren, Weißkohl und Leber.

Auch Weinsäure ist eine wichtige Fruchtsäure. Besonders hohe Anteile sind in Tamarinden (bis 97% der Gesamtsäure) und Weintrauben (ca. 40% der Gesamtsäure) zu finden.

Die als Konservierungsmittel bekannten organischen Säuren Sorbinsäure, Benzoesäure und Propionsäure kommen ebenfalls in der Natur vor. Sorbinsäure liegt in Vogelbeeren in Form ihres Lactons, dem Sorbinöl, vor. Benzoesäure kommt als Glucosid z. B. in vielen Beerenarten, Pflaumen, Zimt und Gewürznelken vor. Propionsäure kommt überall dort vor, wo Mikroorganismen Propionsäuregärung betreiben, in Emmentaler Käse z. B. bis zu 1%.

Welche Funktion erfüllen organische Säuren in Lebensmitteln?

Die wichtigsten Funktionen organischer Säuren in Lebensmitteln sind neben der Aromabildung (daher auch die Bezeichnung Genusssäuren) die antimikrobielle und antioxidative Wirkung. Aufgrund des sehr komplexen Anwendungsspektrums organischer Säuren in der Lebensmittelindustrie soll hier nur eine Auswahl der möglichen Einsatzformen dargestellt werden.

Viele der beschriebenen organischen Säuren werden zur Aromaabrundung und zur Erzielung eines sauren Geschmacks in Lebensmitteln eingesetzt. So wird Äpfelsäure vielfach in Konfitüren, Gelees, Sorbets, Getränken, Obst- und Gemüsekonserven (z. B. Tomaten) eingesetzt. Weinsäure dient insbesondere der Säuerung von Limonaden und Brausen. Milchsäure kommt als Säuerungsmittel u. a. in Fleisch- und Gemüsekonserven zum Einsatz und die antioxidativ wirksame Ascorbinsäure verhindert in vielen Obst- und Gemüsekonserven die enzymatische Braunfärbung. Die konservierende Wirkung von Sorbin-, Benzoe- und Essigsäure macht man sich vor allem bei Schnittbrot, Konfitüren, fruchtsafthaltigen Getränken und Sauergemüse zu Nutze.

Auch die große Gruppe der fruit-flavoured-Süßwaren kann nicht ohne Säurezusatz hergestellt werden, denn erst die Säuren bringen die Aromastoffe zur geschmacklichen Entfaltung. Zusätzlich erfordern u. a. Hartkaramellen den Zusatz von Genusssäuren, um dem Bonbon die „klebrige“ Süße zu nehmen, den Speichelfluss anzuregen und das Bonbon rascher zu lösen. Hierbei kommen vor allem Milch-, Wein- und Citronensäure zur Anwendung.

Wie werden organische Säuren analysiert?

Liegt im Analysenmaterial nur eine Säure vor, ist eine alkalimetrische Bestimmung die einfachste Methode. Liegen mehrere organische Säuren nebeneinander vor, reicht es in bestimmten Fällen aus, die „Gesamtsäure“ alkalimetrisch zu bestimmen. Zur selektiven Bestimmung sind für die meisten organischen Säuren kommerzielle enzymatische Bestimmungsmethoden verfügbar. Daneben werden für alle vorgestellten Säuren in der Literatur photometrische Methoden beschrieben.

Auch iodatometrische (Ascorbinsäure, Milchsäure), polarographische (Ascorbinsäure) oder gravimetrische Analysenverfahren (Weinsäure) können angewandt werden.
Chromatographische Quantifizierungen, vor allem mittels HPLC, besitzen neben hoher Spezifität den Vorteil, dass mögliche Isomere oder Metabolite der entsprechenden Säuren nebeneinander bestimmt werden.

Was sagt der Gesetzgeber?

Alle beschriebenen organischen Säuren sind Zusatzstoffe im Sinne der Zusatzstoffzulassungsverordnung (ZZulV) und besitzen eine sog. E-Nummer. Die meisten Säuren und ihre Salze sind nach der Verordnung beschränkt zugelassen. Zum Beispiel dürfen Säuren in Säuglings- und Kleinkindernahrung nur in bestimmten Lebensmitteln in festgelegten Mengen eingesetzt werden.

SÜSSWAREN (2005) Heft 3

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