Gruppenhöchstgehalte für DON, 3-Acetyl-DON, 15-Acetyl-DON und DON-3-Glucosid - Vorkommen, Toxizität, Analytik, Höchstgehalte
A. Was ist Deoxynivalenol ?Deoxynivalenol (DON) gehört zu den Mykotoxinen. Diese entstehen als Stoffwechselprodukt von Schimmelpilzen auf Lebensmitteln, wie Cerealien, ölhaltigen Samen, Früchten und Kakao. Aufgrund ihrer z.T. extremen Toxizität und Kanzerogenität gelten Mykotoxine auch im Spurenbereich als potenzielles Gesundheitsrisiko und sind daher auf Lebensmitteln unerwünscht. Derzeit sind ca. 400 Mykotoxine von etwa 350 Schimmelpilzarten identifiziert worden. Die wichtigsten Toxin-Bildner stellen dabei die Gattungen Aspergillus, Penicillium, Fusarium, Alternarium und Clavizeps dar. DON zählt neben T2-Toxin und HT2-Toxin zu den Fusarium-Toxinen und verfügt über eine sog. Trichothecenen-Struktur. Diese große Gruppe der Mykotoxine zeichnet sich durch das gemeinsame 12,13-Spiroepoxy-Sesquiterpenoid-Grundgerüst aus. DON kann überwiegend auf einheimischen Getreidearten wie Weizen und Mais nachgewiesen werden. Außerdem ergaben sich auch positive Befunde bei Getreideerzeugnissen wie Brot, Nudeln und Bier sowie in Ölsaaten. DON ist eines der am häufigsten untersuchten Mykotoxine weltweit und tritt häufig zusammen mit anderen Mykotoxinen auf, insbesondere mit anderen Fusarientoxinen
B. Welche weiteren Formen von DON sind relevant und warum?
Die strukturell verwandten Metaboliten von DON, 3-Acetyl-Deoxynivalenol (3-Ac-DON) und 15-Acetyl-Deoxynivalenol (15-Ac-DON) treten häufig in Europa auf. Sie werden von pflanzenpathogenen Pilzen der Gattung Fusarium produziert, die auf Getreide auf dem Feld, vorzugsweise in gemäßigten Klimazonen vorkommen. Zusätzlich zu den acetylierten Metaboliten ist DON-3-Glucosid eine modifizierte Form von DON (auch maskiertes DON genannt) und gilt als der wichtigste pflanzliche Metabolit von DON. Diese vier Formen, DON, 3-Ac-DON, 15-Ac-DON und DON-3-Glucosid kommen vorwiegend in Getreidekörnern wie Weizen, Gerste, Hafer, Roggen und Mais vor. Ihre Strukturen sind in Abbildung 1 dargestellt.
Das CONTAM-Panel schätzt die relativen Verhältnisse der Konzentrationen von 3-Ac-DON, 15-Ac-DON und DON-3-Glucosid zu DON als 10 %, 15 % bzw. 20 % ein, außer bei alkoholischen Getränken, wo das Verhältnis von DON-3-Glucosid zu DON auf 80 % geschätzt wird. Insgesamt variieren die Konzentrationsverhältnisse sowohl bei den der EFSA gemeldeten Daten als auch in der Literatur.
C. Sind DON und seine modifizierten Formen toxikologisch relevant?
Für die toxische Wirkung des DON wird die Epoxidfunktion verantwortlich gemacht. Es sind sowohl beim Menschen als auch beim Tier gesundheitliche Schäden zu beobachten. Typ-B-Trichothecene wie DON gelten als wirksame Inhibitoren der Proteinbiosynthese durch ihre Epoxidbindung an die DNA. Außerdem führt die chronische Aufnahme von DON zu einer erhöhten Anfälligkeit für Infektionskrankheiten, da es immunsupprimierende Eigenschaften aufweist. Unter Berücksichtigung aller verfügbaren toxikologischen und toxikokinetischen Informationen stellte das CONTAM-Panel 2017 fest, dass 3-Ac-DON und 15-Ac-DON vor der systemischen Verteilung weitgehend zu DON deacetyliert wurden, so dass sie die gleichen akuten und chronischen Wirkungen wie DON hervorrufen können. Die verfügbaren Daten weisen zudem darauf hin, dass DON-3-Glucosid von Bakterien im Magen-Darm-Trakt zu DON gespalten wird und ebenfalls ähnlich wie DON verteilt und metabolisiert wird.
D. Wie werden DON und seine modifizierten Formen analysiert?
Die Analysemethoden für DON, 3-Ac-DON, 15-Ac-DON und DON-3-Glucosid sind bereits gut etabliert und können für Getreide, Lebensmittel, Futtermittel und biologische Proben angewendet werden. Die genaue Quantifizierung von DON, seinen acetylierten Formen und DON-3-Glucosid erfolgt meist durch Flüssigchromatographie in Verbindung mit (Tandem-) Massenspektrometrie, derzeit oft mit einem Multianalyt-Ansatz. Ringversuche und Eignungsprüfungen haben gezeigt, dass bei der Bestimmung von DON-3-Glucosid eine beträchtliche analytische Variabilität besteht. Direkte Ansätze (die eigene Standards erfordern) und indirekte Ansätze (basierend auf dem Abbau zu DON) wurden für die Bestimmung von DON-3-Glucosid berichtet. Immunchemische Methoden für DON bieten schnelle und wirtschaftliche Alternativen zur Chromatographie, aber Kreuzreaktivität und Matrixeffekte sind noch nicht vollständig berücksichtigt. Jüngste Fortschritte in der Biomarker-Forschung ermöglichen die Bestimmung von DON und seinen Metaboliten im Urin, vor allem als DON-Glucuronide. Die kommerziellen Quellen für die Standards von DON-Glucuroniden sind jedoch knapp und bisher keine (zertifizierten) Referenzmaterialien erhältlich.
E. Datenerfassung der EFSA
Die EFSA legte 2017 eine aktualisierte Risikobewertung zu DON vor. Hierbei sollten die sog. „modifizierten Formen“ (früher auch: „masked mycotoxins“) miterfasst werden und geprüft werden, ob toxikologische Referenzwerte wie TDI (tolerierbare tägliche Aufnahmemenge; Maß für das chronische Risiko) und ARfD (akute Referenzdosis; Maß für das akute Risiko) für die Gruppe aus Mykotoxin inkl. seiner modifizierten Formen abgeleitet werden können. Die Risikobewertung beinhaltete zugleich eine Expositionsabschätzung. Die Datenerfassung durch die EFSA umfasste insgesamt über 21.000 Daten für Deoxynivalenol und seiner Metaboliten aus den Jahren 2007 – 2014. Unter diesen Daten befanden sich je nach Analyt bis zu 96 % Ergebnisse, die unterhalb von LOD bzw. LOQ lagen. Proben mit den höchsten Konzentrationen an DON sowie der Summe aus DON, den acetylierten Formen und DON-3-Glucosid waren vor allem Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke und Getreide und Getreideprodukte. Da DON, 3-Ac-DON, 15-Ac-DON und DON-3-Glucosid meist in den äußeren Schichten des Korns vorkommen, kommt es durch Prozessschritte wie Reinigen, Sortieren, Sieben und Schälen von Getreide zu deutlichen Konzentrationsanstiegen dieser Toxine in Getreidenebenprodukten, z.B. Kleie. Die mittlere akute Exposition des Menschen für die Summe an DON, 3-Ac-DON, 15-Ac-DON und DON-3-Glucosid lag in 39 verschiedenen Ernährungsstudien und in allen Altersgruppen zwischen 0,2 und 2,9 µg/kg KG. Das 95. Perzentil reichte von 0,7 bis 6,7 µg/kg KG pro Tag. Die mittlere chronische Exposition des Menschen gegenüber der Summe von DON, 3-Ac-DON, 15-Ac-DON und DON-3-Glucosid lag in 33 verschiedenen Ernährungsumfragen und in allen Altersgruppen zwischen 0,2 und 2,0 µg/kg KG pro Tag, die 95. Perzentile reichten von 0,5 bis 3,7 µg/kg KG pro Tag. In beiden Betrachtungen wiesen Säuglinge die höchste mittlere Ernährungsexposition auf. Die höchsten Beiträge zur Exposition der Summe von DON, 3-Ac-DON, 15-Ac-DON und DON-3-Glucosid stammen aus Produkten auf Getreidebasis, insbesondere "Brot und Brötchen", "Feine Backwaren" und "Teigwaren (roh)". Der TDI von 1 μg/kg Körpergewicht und Tag für DON wurde von der EFSA aufgrund dieser Daten als ein Gruppen-TDI für die Summe aus DON, 3-Acetyl-DON, 15-Acetyl-DON und DON-3-Glucosid festgesetzt. Für das akute Risiko wurde zusätzlich eine Gruppen-ARfD von 8 μg/kg Körpergewicht eingeführt. Für die Gruppe aus DON, 3-Acetyl-DON, 15-Acetyl-DON und DON-3-Glucosid ist kein akutes Risiko durch Gehalte in der Nahrung zu erwarten, allerdings ergaben sich mögliche Überschreitungen des Gruppen-TDI für Vielverzehrer und Kinder unter 10 Jahren.
F. Wie sieht die aktuelle rechtliche Situation zu DON und seinen modifizierten Formen aus?
Für Deoxynivalenol gibt es derzeit je nach Lebensmittel verschiedene Höchstwerte auf EU-Ebene, diese sind in der europäischen Kontaminanten-Verordnung VO (EG) Nr. 1881/2006 verankert. Sie gelten unter anderem für Getreide und Getreideerzeugnisse, wie Brot und Teigwaren. Für verschiedene Lebensmittelkategorien, darunter Getreide und Getreideprodukte wie Pasta, Brot, Frühstückscerealien und getreidebasierte Produkte für Säuglinge und Kleinkinder wird aufgrund der aktualisierten Risikobewertung aktuell über Höchstwerte für DON sowie die Summe aus DON, 3-Acetyl-DON, 15-Acetyl-DON und DON-3-Glucosid auf EU-Ebene beraten. Die aktuell geltenden und zur Diskussion stehenden Höchstwerte sind Tabelle 1 zu entnehmen.
Tabelle 1 Zur Diskussion stehende Höchstgehalte für DON und die Summe DON + mod. Formen in Lebensmitteln
Beim dem hier zitierten aktuellen Arbeitsdokument der „Working Group Agricultural Contaminants“ der EU-Kommission und der Mitgliedstaaten für DON handelt es sich um erste Vorschläge. Danach soll der Höchstgehalt für DON auf das 95. Perzentil der Gehaltsdaten, die der EFSA vorlogen, abgesenkt werden, dann aber um Gehalte für 3-Acetyl-DON, 15-Acetyl-DON und DON-3-Glucosid erweitert werden, die laut EU-Kommission ca. bis zu 35 % des Summengehalts ausmachen können.