Neues zur toxikologischen Bewertung der Prozesskontaminante Acrylamid ‒ WPD erschienen (31.01.2019)
Professor Dr. Gerhard Eisenbrand und Professor Dr. Elke RichlingAktuelle Forschungen der Technischen Universität Kaiserslautern zeigen keine Evidenz für die Genotoxizität bei verbraucherrelevanter Aufnahme und belegt eine endogene Acrylamidexposition.
Acrylamid (AA ) entsteht als sogenannte Prozesskontaminante aus Asparagin und reduzierenden Kohlenhydraten während der Bräunungsreaktion beim Braten, Backen oder Frittieren von stärkehaltigen Lebensmitteln. Es findet sich besonders in erhitzten Kartoffel- und Getreideprodukten sowie in Röstkaffee. Weil Asparagin und reduzierende Zucker in fast jedem Lebensmittel vorhanden sind, ist eine vollständige Unterdrückung der hitzeinduzierten AA-Bildung kaum erreichbar. Prozessveränderungen unter kontrollierten industriellen Herstellungsbedingungen haben in den vergangenen Jahren eine Absenkung der AA-Kontamination bewirkt. Ob dies auch unter normalen Haushaltsbedingungen zu erreichen ist, ist noch nicht ausreichend geklärt.
AA gilt als wahrscheinlich krebserregend beim Menschen. Es wird angenommen, dass die krebserzeugende Wirkung von AA primär auf seiner metabolischen Oxidation zum genotoxischen Metaboliten Glycidamid (GA) beruht. Sowohl AA als auch GA sind hochreaktiv und gehen im Organismus mit zahlreichen Biomolekülen – insbesondere mit Glutathion (GSH) – Bindungen ein. Solche Reaktionen dienen der Entgiftung und tragen dazu bei, dass ein erheblicher Anteil des aufgenommenen AA der metabolischen Aktivierung zum genotoxischen GA entzogen wird. Die GSH-Kopplung sorgt ferner dafür, dass im verbraucherrelevanten Expositionsbereich das in der Leber gebildete GA effektiv entgiftet wird.
Epidemiologische Studien zeigen keine überzeugende Evidenz für eine mögliche Assoziation von erhöhtem Krebsrisiko mit ernährungsbezogener AA-Exposition des Menschen. Die in diesem Beitrag vorgestellten Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass, zumindest im niederen und verbraucherrelevanten Expositionsbereich, die Evidenz gegen einen genotoxischen Mechanismus von AA über die metabolische Bildung von GA spricht. Ob die Gentoxizität von GA für die Tumorbildung im Bereich höherer krebserzeugender Dosen wirklich eine Rolle spielt, ist ungewiss.
Ergebnisse aus Tierversuchen gaben darüber hinaus Grund zu der Annahme, dass AA nicht nur aufgenommen, sondern auch beständig endogen („im Körper selbst“) gebildet wird. Kontrollierte Interventionsstudien bestätigen diese Hypothese auch beim Menschen, bei dem die endogene Exposition in einem Bereich liegt, der der durchschnittlichen Verbraucherexposition über Lebensmittel durchaus nahekommen kann. Auch für weitere Prozesskontaminanten ist bekannt, dass sie im Stoffwechsel gebildet werden können.
Download WPD Nr. 1 /Februar 2019